Am 16. Mai 1818, dem Quatembersamstag in der Pfingstwoche, war die Vorbereitung auf die hl. Priesterweihe vollendet. Frohen Herzens begab sich Vinzenz in die Lateranbasilika, um sie aus den Händen des Vizegerente Erzbischof Candidus Maria Frattini zu empfangen. Welche Gefühle ihn bei der heiligen Handlung erfüllten, können wir einer Aufzeichnung entnehmen, die er, ganz überwältigt von der empfangenen Würde und Gewalt, nach der Priesterweihe machte.
„Ich bin überzeugt“, schreibter, „wenn ich den Boden, über den ein Priester, sei es auch ein unendlich schlechter, wenn dies möglich wäre, gegangen ist, mit größter Ehrfurcht küssen dürfte zum Lohn für alle guten Werke, die ich mit unendlicher Vollkommenheit durch zahllose Ewigkeiten usw. verrichtet hätte, dabei angenommen, ich hätte alle guten Werke sämtlicher Geschöpfe, ein jedes unendlichmal vervielfacht…, mit unendlicher Vollkommenheit … zahllose Ewigkeiten hindurch … verrichtet, – wenn ich, sage ich, das tun dürfte, so bin ich überzeugt, daß mir diese Werke in vorzüglichster Weise vergolten wären. Ja, ich wäre gezwungen, alle Geschöpfe einzuladen, die göttlichen Erbarmungen zu preisen, die mir die Güte Gottes erwiesen. Was müßte ich aber sagen, wenn ich ihm die heilige Hand küssen dürfte? Alles Denken übersteigt es jedoch, daß die unendliche Güte Gottes, meines liebsten Vaters, sich in staunenswerter Weise gewürdigt hat, mich zum hehren Priesteramt zuerheben. O Gott, o Gott, o Gott, ich fasse es nicht. … O Gott, o Gott, o Gott! Schweigen, Schweigen, Schweigen! Demut! Nichts! Alles, alles, alles! (Allgemeine Beteuerung). Unser unaussprechlicher Gott hat sich gewürdigt, mich zum hehren Priesteramt zu erheben, dessen Aufgabe es ist, das göttliche Opfer zu feiern, die hl. Sakramente zu spenden, das Wort Gottes zu verkünden und das Brevier zu beten. So, o Gott, o Gott, o Gott (Allgemeine Beteuerung), so will ich, o Gott, o Gott, o Gott, will ich die heilige Messe feiern, o Gott, o Gott, o Gott (Allgemeine Beteuerung), die heiligen Sakramente spenden, o Gott, o Gott, o Gott (Allgemeine Beteuerung), predigen, o Gott, o Gott, o Gott (Allgemeine Beteuerung), und beten, o Gott, o Gott, o Gott! (Allgemeine Beteuerung)“.
Vor lauter Ergriffenheit kann Vinzenz nur stammelnd seine Bereitschaft erklären für die übertragenen hohen Aufgaben. Auf einem noch vorhandenen Zettelchen bewahrte er sich folgende schöne Zeilen über den Priester auf, die dem hl. Ephräm zugeschrieben, werden:
„O Priester, wer bist du?
Du bist nicht von dir, sondern von Gott.
Du bist nicht aus dir, weil aus dem Nichts.
Du bist nicht für dich, weil für die Menschen in ihren Anliegen bei Gott.
Du gehörst nicht dir, weil du der Kirche Bräutigam bist.
Du bist nicht dein, weil du der Knecht aller bist.
Du bist nicht du, weil du ‚Gott’ bist.
Was also bist du?
Nichts und alles – o Priester!“
Vinzenz war jetzt Priester für immer und ewig. Schon am nächsten Tage, dem Feste der heiligsten Dreifaltigkeit, feierte er in der Kirche Del Gesù in Frascati, die damals Klosterkirche der Schwestern vom Jesuskinde war, seine Primiz. Seine Angehörigen und Verwandten, aber auch zahlreiches Volk aus Frascati und Umgebung,wo Vinzenz seit den Tagen seiner Kindheit bekannt war, nahmen daran teil. Der Kanonikus Alois Graziani erinnerte sich noch nach dem Tode des Seligen mit Freuden an die erhebende Feier. „Am 17. Mai 1818“, berichtet er, „als ich noch Kleriker war, hatte ich das Glück, ihm bei dem ersten hl. Meßopfer zu dienen, das er hier in Frascati am Hochaltar der Kirche Del Gesù mit großer Andachtund zur Erbauung des beiwohnenden Volkes darbrachte“.
Am meisten freuten sich gewiß seine guten Eltern, die ihre Opfer nun reich belohnt sahen. Die Begeisterung, die den Seligen selbst injenen ersten Tagen seines Priestertums erfüllte, spricht aus einem Briefe vom 26. Mai 1818 an den sel. Kaspar del Bufalo: „Am 16. Mai, dem Vortage des Dreifaltigkeitsfestes, würdigte sich der liebenswürdigste Gott durch einen Erweis seiner unendlichen Barmherzigkeit, über den man die ganze Ewigkeit hindurch staunen muß, mich aus dem Staube und Nichts zu dem so hohen Priesteramt zu erheben, einer Würde, die, wie ich mit Recht sagen zu dürfen glaube, selbst die hehre Mutter Gottes nicht nur mit Bewunderung, sondern mit heiliger Furcht erfüllt. Ich bitte Sie, beten Sie das Magnificat und lassen Sie es auch von andern beten zum Danke für die empfangene Wohltat. O, welch hohe Würde ist dasPriestertum, welche Würde, welche Würde! … Ich achte und verehre tief in allen und in EuerHochwürden die unbegreifliche priesterliche Würde. O, was heißtes, Priester sein, o Gott … ich fasse es nicht. O, was heißt es, das unblutige Opfer darbringen, was heißt es, die hl. Sakramente spenden, o Gott …, was heißt es, jeden Tag dem Herrn das Lobopfer für das ganze Volk darbringen im Breviergebet!“
Zeitlebens beseelte Vinzenz diese tiefe Ehrfurcht vor dem Priestertum. Oft schloß er seine Briefe an Priester mit der Wendung, er küsse im Geiste den Boden, den sie, bekleidet mit der hehren Priesterwürde, betreten.
Eine Wallfahrt nach Loreto, die der Selige kurznach der Priesterweihe mit seinem Vater und dem Bruder Johannes machte, war wohl auch eine Dankeswallfahrt für die glückliche Erreichung seines Zieles. Er brachte im hl. Haus von Loreto das hl. Meßopfer dar und spendete dabei Johannes die hl. Erstkommunion,auf die er ihn selber vorbereitet hatte. Alljährlich aber feierte er die Wiederkehr der Weihetage, an denen er so viele Gnaden erhalten hatte. Es waren für ihn dies alsdann „Tage der Danksagung und, wie er selbst sie nannte, Tage neuen Lebens, weil er an ihnen den Geist des Eifers erneuerte“.
Josef Frank SAC: Vinzenz Pallotti