Im ersten Jahrtausend v.Chr. unterstanden die verschiedenen Teile der Ukraine der Herrschaft unterschiedlicher Völker, etwa den Cimmerianern, den Sarmatianern und den Scythen. Nach der Wende zum ersten Jahrtausend n.Chr. wurde das Gebiet der heutigen Urkraine von Gothen, Hunnen, Bulgaren, Avaren, Khazaren und Magyaren beherrscht. Seit dem 4. Jh. siedelten sich slavische Stämme hier an. Zu jener Zeit war Kiew die wichtigste Stadt. Die Macht Kiews endete in der Mitte des 13. Jh. nach der Eroberung durch die Mongolen. Im 16. Jh. wurde das Gebiet von Litauen regiert und im 17. Jh. von Polen. Im 18. Jh. stand die Ukraine unter russischer Herrschaft.
Perlen der regionalen Archtektur. Komarno ist eine 1324 gegründete Stadt. Im Zentrum liegen eine alte, traditionell gestaltete katholische Kirche (der alte polnische „Kostel“) und eine alte orthodoxe Holzkirche, deren Ikonen erhalten sind und sich in der Kirche befinden. Foto von Roman Brechko.
1917 wurde die Nationalrepublik Ukraine errichtet. 1918 erklärte sie ihre Unabhängigkeit von Russland. Aber schon im Folgejahr wurde sie aufs Neue erobert. 1923 wurde die Ukraine als sozialistische Sowjetrepublik Teil der UdSSR. Von 1919 bis 1939 gehörte der Nordwesten des Landes zu Polen. Mehr als fünf Millionen Ukrainer verhungerten in Friedenszeiten 1932-1933 in einer unvergleichlichen Tragödie unter dem sowjetischen Führer Joseph Stalin. Die Ukraine wurde erneut 1944 vom sowjetischen Russland besetzt. Nebenbei bemerkt war die Ukraine der Standort der von den Sowjets errichteten Kernkraftwerke, und 1986 ereignete sich hier der Unglücksfall von Tschernobyl.
Nach Jahrhunderten wechselnder Besatzungsmächte, der Einpflanzung fremder Kulturen, sehr komplizierten menschlichen und politischen Beziehungen zu den Nachbarländern, erlangte die Ukraine 1991 ihre Unabhängigkeit. Es gilt noch viel auf der menschlichen wie materiellen Seite aufzubauen und zu heilen. Es bleibt eine Aufgabe auch für künftige Generationen, die verlorene Zeit aufzuholen – vorausgesetzt natürlich, dass von nun an das Geschick der Ukraine von ihr selbst bestimmt wird.
Das St. Michael-Kloster mit goldenen Kuppeln in Kiew, Ukraine. Foto von Oleksyi M.
Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Ukraine von ihrem kulturellen Niedergang erholt hat. Das Kloster stammt aus dem Mittelalter. Die äußere Bauhülle wurde im 18. Jh. im Stil des ukrainischen Barock neu aufgebaut, während das Innere seinen ursprünglichen byzantinischen Stil beibehielt. Das Kloster wurde von den sowjetischen Machthabern in den 1930er Jahren abgebrochen, ist aber nach der Unabhängigkeit der Ukraine in den letzten Jahren wieder aufgebaut worden. Es gibt eine Reihe ähnlicher Fälle im ganzen Land.
Es muss hier auch erwähnt werden, warum alle Länder im Osten nach dem 2. Weltkrieg unter das Einflussgebiet Russlands fielen. Die nach dem Krieg vollzogene Teilung Europas wurde in Jalta auf der Krim entschieden, wo sich Joseph Stalin, Winston Churchill und Franklin Roosevelt zu einer Konferenz trafen. Mit seinen in fast ganz Osteuropa stationierten Truppen war Stalin in einer starken Verhandlungsposition. Roosevelt und Churchill versuchten energisch, den russischen Einfluss in diesem Gebiet zu begrenzen, aber das einzige Zugeständnis, das sie erreichen konnten, war die Zusage, dass in jenen Ländern freie Wahlen abgehalten würden. Wieder einmal war Polen der Hauptverhandlungspunkt. Stalin erläuterte, dass durch die gesamte Geschichte hindurch Polen entweder Russland angegriffen habe oder aber als Korridor für andere feindlich gesinnte Mächte gedient habe. Nur eine starke pro-kommunistische Regierung in Polen könne die Sicherheit der Sowjetunion garantieren – nach Meinung Stalins. Das polnische Volk bewahrt tief in seinem Herzen den Verrat durch die vorherigen Verbündeten, England und die USA, als eine schmerzliche Lektion. Sie haben gelernt: wenn man auf jemanden zählen will, zählt man am besten nur auf sich selbst. „Vertrauen“ ist ein Schlüsselwort, um uns besser zu verstehen.
Überreste aus der Zeit des Kommunismus im Leben der einfachen Leute
Dies alles ist der Hintergrund des Alltagslebens in den sogenannten „Satellitenstaaten“ der Sowjetunion nach dem Krieg. Polen, Weißrussland und die Ukraine gingen auf unterschiedliche Weise durch diese Jahre hindurch. Polen, das sich niemals demütig Russland unterordnete, gelang es, seinen Glauben und seine innere Unabhängigkeit zu bewahren, bis die friedliche Revolution der „Solidarität“ 1989 allen unterdrückten Ländern Europas die Freiheit zurückgab, eingeschlossen… Russland. Weißrussland und die Ukraine hatten ihre eigene, ebenfalls sehr schwierige Geschichte der Unterdrückung durch den Sowjetstaat. Jetzt haben sie einen Ausgangspunkt für ein neues Kapitel ihrer Geschichte erreicht: sie können an ihre spirituellen Wurzeln zurückkehren und den Reichtum ihrer eigenen Vergangenheit entdecken, ohne dabei die Flucht in den Nationalismus anzutreten. Die Bemühung, in wirtschaftlicher Hinsicht den Anschluss an Europa zu schaffen, entlässt keine Nation und keinen Menschen aus der Verpflichtung, geistliche Werte aus dem Schatten ins Licht zu holen und so letztlich die Größe der eigenen Nation zu entdecken. Freiheit und Demokratie, die so verzweifelt wiedererrungen wurden, sind Werte, die jetzt mühselig gestaltet werden müssen. Wir müssen lernen, wie wir in unserem persönlichen Leben Freiheit gebrauchen können und wie wir im Alltag demokratisch handeln. Nach den ersten Jahren der Euphorie über die gewonnene Freiheit können wir jetzt sehen, wie viel noch zu tun bleibt. Jede von uns ist geprägt von dieser schwierigen Geschichte: sowohl einfache wie außergewöhnliche Leute, die Politiker, die Geistlichkeit, auch wir, die Schwestern – es gibt keine Ausnahme. Wir müssen uns dieser Zusammenhänge bewusst sein, wenn wir in die Nachbarländer ziehen, um dort eine sogenannte Neuevangelisierung zu beginnen. Wir treffen dort auf Menschen, die ebenso wie wir verletzt sind. Wir brauchen ihre Vergebung für die Sünden unserer Väter. Und wir bieten ein Geschenk der Versöhnung für das geschichtliche Unrecht an, das uns widerfahren ist – durch irre Politiker oder Diktatoren, nicht so sehr durch den konkreten Menschen, der vor uns steht. Durch den Bau von Brücken in der Politik, zwischen den Kirchen (etwa Orthodoxe und Katholiken) und zwischen Einzelpersonen – nur auf diesem Weg kann Christus in unser Leben kommen und in unserer Mitte bleiben. Das ist die Bedeutung der Neuevangelisation heute. Wir brauchen sie auch bei uns zuhause, in unserer Heimatstadt, direkt vor unserer Haustür. Unsere pallottinische Gegenwart bei ihnen hat nicht direkt das Ziel, irgendjemanden zu bekehren, sondern den Menschen zu helfen, das geistliche Fundament ihrer wunderbaren und reichen Kultur neu zu entdecken, das im Kommunismus so stark zerstört wurde.
Die Völker des Ostens sind wunderbar. Wir sind nicht in der Lage, ihnen etwas zu geben. Ein tiefer Hunger nach geistlichem Leben, Empfindsamkeit für die Schönheiten dessen, was sie umgibt, besonders für Musik, und eine natürliche Fähigkeit zur Kontemplation gehören zu ihren naturgegebenen Fähigkeiten. Man kann dies in der Literatur, in der Musik und der Kunst dieser Länder entdecken. Ich denke hier an die Russen wie an die Weißrussen. Stalin beging mit seiner Politik Völkermord und brachte Millionen von Menschen um, wobei er auch das spirituelle Leben derer, die überlebten, zerstörte. All dies macht uns demütig, wenn wir mit den Menschen aus der Ukraine, Russland und Weißrussland zu tun haben; es sind Länder mit einem unendlichen Heer anonymer Märtyrer. Wir empfangen von ihnen mehr als wir geben.
Landkarte der Ukraine heute
Unsere bescheidene Präsenz in der Ukraine
Zhytomyr (die erste katholische Kirche wurde hier 1225 errichtet) war die erste Stadt der Ukraine, in der Schwestern 1989 eintrafen, nachdem die Grenzen der Ukraine und Polens geöffnet worden waren. Sr. Consolata Majewska, die damalige Missionsprokuratorin der Provinz, war die erste, die – später begleitet von Sr. Gabriela Olecka – mehrmals nach Zhytomyr und an andere Orte reiste, um die Möglichkeit eines zukünftigen Einsatzes für die Schwestern zu erkunden. Die Initiative, Schwestern in die Ukraine einzuladen, ging von P. Aleksander Milewski SAC aus. Gegenwärtig leben hier zwei Schwestern: Sr. Julia Wolska und Sr. Galina Klimenczuk. Die Schwestern haben in unserem Haus eine Kindertagesstätte eingerichtet; sie machen Katechese mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und leiten die Theatergruppe der Gemeinde; sie kümmern sich um kranke und alte Menschen; sie haben eine ökumenische Behindertengruppe mit einem Bildungsprogramm, das auf dem pallottinischen Charisma basiert, initiiert; es gibt eine Jugendgruppe zum Bibelteilen.
Kamienny Brod. Seit 1994 sind Pallottinerinnen in der Gemeinde. Gegenwärtig arbeiten hier zwei Schwestern: Sr. Anna Karpinska (Polin, 15jährige Arbeitserfahrung in der Ukraine) und Sr. Galina Szpilowa (aus der Ukraine, aber mit polnischen Vorfahren). Die Schwestern machen katechetische Angebote, leiten vier Rosenkranzgruppen und versorgen die Sakristei; sie kümmern sich um kranke und alte Menschen (etwa 40 Personen) und haben eine Suppenküche, wo Mahlzeiten für die ärmsten Einwohner des alten Brod gekocht werden.
Korosten (die erste hölzerne Kirche wurde 1602 errichtet). Die Schwestern arbeiten hier seit 2003. Gegenwärtig sind es Sr. Galina Soroczyńska (aus der Ukraine, aber mit polnischen Vorfahren) und Sr. Danuta Jarosz. Die Schwestern leiten katechetische und andere Treffen für Kinder und Jugendliche im Oratorium; sie versorgen die Sakristei in der Gemeindekirche.
Jagiellonian Grodek (erstmals erwähnt 1213). Wir sind dort seit 2005. Gegenwärtig sind dort zwei Schwestern: Sr. Teresa Grazul und Sr. Ludwika Jastrzębska. Sr. Ludwika macht katechetische Angebote für Kinder und Jugendliche und leitet eine Familiengruppe. Weiterhin fährt sie zur Katechese regelmäßig nach Lubienia und Komarno, die 30 bzw. 20 km von Grodek entfernt liegen. Sr. Teresa ist gelernte Krankenschwester; sie arbeitet in der Sakristei und besucht die alten und kranken Gemeindemitglieder.
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Quelle:
– Die Informationen zur Geschichte stammen aus Artikeln in Wikipedia und aus einer polnischen Missionszeitschrift „Posylam was“ (Sonderausgabe zum Jubliläum).
– Die Informationen über die Schwestern in der Ukraine entstammen einem nicht publizierten Bericht von Sr. Marcelina Chetnik SAC, „Guide tour on sites of our presence in Ukraine“ (Rundfahrt durch die Orte, in denen wir in der Ukraine präsent sind).
– Die Fotos sind dem Provinzarchiv und aus dem Internet entnommen.