Mit diesen Worten, die der greise Tobit an seinen Sohn Tobias richtet, beginnt Papst Franziskus seine Botschaft zum Welttag der Armen, der in diesem Jahr am 19. November begangen wird. Wir schlagen diese Worte aus dem Buch Tobit aus dem Alten Testament für unsere Meditation und unser Gebet in diesem Monat vor, um sie im Einklang mit der Weltkirche zu leben.
Es ist eine eindrucksvolle und starke Aufforderung. In den Evangelien finden wir zahlreihe Berichte darüber, wie Jesus von Armen, Kranken und Bedürftigen verschiedenster Art umgeben war. Es wäre gut, während unserer Meditation die Augen zu schließen und sich vorzustellen, wie Jesus die Aussätzigen berührt, sich vor den Kranken beugt, die Weinenden tröstet, denen zuhört, die ihn aufhalten, von keinem Menschen den Blick abwändet. Jesus lehrt uns, diese Menschen mit Aufmerksamkeit zu betrachten, stets die Würde eines jeden zu achten und anzuerkennen, und er lehrt uns, die Person bei ihrem Namen zu nennen. Erinnern wir uns daran, dass die Armen, die Jesus in den Evangelien nennt, Namen haben, wie: „Vor der Tür des Reichen lag ein armer Mann namens Lazarus“ (vgl. Lk 16,19-31); „Als Jesus in Bethanien, im Haus von Simon, dem Aussätzigen war“ (vgl. Mk 14,3-9).
Wir Missionspallottinerinnen, die in Rom leben, sprechen bei unserem Austausch in der Gemeinschaft manchmal über die Armen, die wir kennen und denen wir jeden Tag in der Nähe des Vatikans begegnen. Viele von uns kennen ihre Namen, denn wir bleiben bei ihnen stehen, um mit ihnen zu reden und vor allem, um ihnen zuzuhören. Wir sind uns alle einig, dass es manchmal einfacher ist, einen Euro an Almosen zu geben, ein Sandwich oder einen Cappuccino zu bezahlen, als anzuhalten und ihnen etwas von unserer Zeit zu schenken, um mit ihnen zu sprechen. Es ist rührend, wenn sie fragen: „Schwester, genieren Sie sich nicht, mit mir zu reden?“ Wenn man sich ihre Lebensgeschichte anhört, wird einem klar, dass man vielleicht auch so enden könnte wie sie, oder dass man das unverdiente Glück hatte, nicht so zu enden; sie sagen einem offen, was ihnen fehlt, was sie sich wünschen. Zumeist wünschen sie sich an erster Stelle etwas zu essen. Vor allem aber wollen sie als Menschen anerkannt werden, die Respekt verdienen. Manchmal betonen sie, was es für sie bedeutet, dass wir, die wir mit ihnen ins Gespräch kommen, ihnen die Hand geben, ihnen ein Sandwich bringen und ihnen in die Augen schauen, Zeit für sie haben, dass wir in ihnen Mitmenschen sehen, und nicht Ausgestoßene der Menschheit. Was zählt, ist: „Wende deinen Blick niemals ab, wenn du einem Armen siehst“, denn in ihnen seht ihr einen Freund Gottes.
Für uns Christen ist es wichtig, für sie zu beten und sie zu motivieren, ihr Leben durch neue Entscheidungen zu ändern. Das ist sicherlich eine Aktion, die Zeit, Sanftmut und Mut erfordert. Wir erinnern uns an einen Obdachlosen, der in der Nähe des Vatikans schlief, bis eine fromme Frau ihn ansprach und für ihn betete, und dann geschah, so können wir sagen, ein Wunder. Dieser Mann fragte sich, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Kurz gesagt, er entdeckte den Glauben wieder und den Wunsch, sein Leben zu ändern, und diese Entscheidung führte ihn zu einer Rolle in Mel Gibsons Film „Passion“, wo er einen römischen Soldaten in der Geißelungsszene spielt. Sein Leben wurde völlig verändert. Oder die Geschichte eines anderen armen Mannes, eines Bekannten von uns, ein begabter Maler, der aber dem Alkohol verfallen war und auf der Straße landete. Eine unserer Schwestern widmete ihm so viel Zeit, so viel Geduld, so viele Stunden der Begleitung, dass er sein Leben änderte. Er lebt jetzt in einer Gemeinschaft und malt weiterhin mehrere Porträts des heiligen Vinzenz Pallotti.
In unserem Gästehaus können wir verschiedene Formen der Armut hautnah erleben: Arme Menschen ohne Essen und Trinken, die fast täglich kommen und um eine warme Mahlzeit oder ein Butterbrot bitten; Menschen, die von ihren Verwandten verlassen wurden oder überhaupt keine Verwandten haben. Es gibt so viel Einsamkeit, die schmerzt und es schmerzt auch uns, wenn wir an unsere Grenzen stoßen und nicht helfen können. Menschen kommen zu uns zurück, weil sie sich bei uns zu Hause fühlen. Wir dürfen nie vergessen, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, dass unser aller Würde darauf beruht, dass wir nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen sind. Sicherlich ist die physische Armut sichtbarer, näher an unserem Alltag. Aber wir sind uns bewusst, dass es viele andere Nöte gibt, existenzielle Randlagen, die nach unserer Hilfe schreien.
Oft teilen wir in der Gemeinschaft die vielen Geschichten der seelischen Armut und des Leidens der Gäste, die bei uns wohnen. In unserem Gästehaus wohnen immer wieder Angehörige kranker, schwerkranker Kinder, die im Kinderkrankenhaus Bambino Gesù behandelt werden und auf Genesung hoffen, und wir verbringen viel Zeit damit, den Eltern zuzuhören, die oft von Schmerzen, Ängsten und Sorgen zerrissen sind.
Wir hören ihnen zu, trösten sie, beten mit ihnen, weinen mit ihnen und geben ihnen Mut zum Durchhalten, indem wir sie der Liebe Gottes anvertrauen. Dies ist eine große Aufgabe und Herausforderung für uns alle, jeden Tag. „Wende deinen Blick niemals ab, wenn du einem Armen siehst“. Wir wünschen uns, dass diese biblische Empfehlung immer in unseren Ohren und Herzen klingt.
„Die Eile, der tägliche Begleiter des Lebens, hindert den Menschen daran, innezuhalten, dem anderen zu helfen und sich um ihn zu kümmern“, so schreibt Papst Franziskus in seiner diesjährigen Botschaft zum Welttag der Armen. Wir wollen uns diese Worte merken.
Schon als Kind hatte unser Gründer, der hl. Vinzenz Pallotti, sich um Arme und Schwache gesorgt und ihnen geholfen. In der Inspiration zur Gründung des Katholischen Apostolates spricht er auch von der Sehnsucht, ein universales Liebeswerk zur Ausübung aller Werke der geistlichen und leiblichen Barmherzigkeit zu errichten. Wir kennen seinen Wunsch: „Ich möchte Speise werden, um die Hungrigen zu sättigen; Kleidung, um die Nackten zu bedecken; Trank, um die Durstigen zu erfrischen“; Arznei, Heilmittel, Fürsorge, Licht, all das will er für die Armen werden. Möge seine Sehnsucht uns, die Mitglieder seiner Familie, zu einer Gewissenserforschung anregen; ja, möge dieser Wunsch von ihm uns nie in Ruhe lassen, sondern uns alle dazu aufrufen, das schöpferische Teilen unserer materiellen und geistigen Ressourcen, unserer Zeit und unserer Talente ständig zu leben.
P. Francesco Amoroso SAC schrieb: Die Armen und Kranken ließen ihm keine Ruhe; während der Cholera-Epidemie 1837 stellte er einen Kasten an die Tür des Pfarrhauses bei der Heilig-Geist-Kirche in der Via Giulia auf, in den diejenigen, die Hilfe suchten und niemanden antrafen, ihre Namen und Adresse auf einen Zettel schrieben, und sobald sie zurückkehrten, gingen Priester des Katholischen Apostolates zu zweit zu den Bedürftigen brachten den Kranken Essen und Medikamente und bedienten sie; Pallotti organisierte auch eine tägliche Suppenküche für die Armen im Hof des Gebäudes neben dem Pfarrhaus. Als es schien, dass auch er krank wird, sagte jemand zu ihm: „Pater, Sie sind müde, ruhen Sie sich aus!“ und er antwortete: „Im Himmel werden wir uns ausruhen!“
Lasst uns beten, dass Gott auch uns, wie dem hl. Vinzenz Pallotti, ein sensibles, liebendes Herz schenke und offene Augen für die Not der Menschen; und dazu den Mut, Hindernisse und Vorurteile zu überwinden und mit anderen zu teilen, was Gott uns geschenkt hat. Die Heiligen lehren uns, welche Folgen es hat, wenn wir in all unseren Mitmenschen das Ebenbild Gottes sehen, und in den Armen und Leidenden das Antlitz des leidenden Jesus. Angesichts von Armut und Not dürfen wir nicht gleichgültig bleiben.
Nur so können wir mehr und mehr zur Freude unseres Herrn werden, zur Freude derer, denen wir geholfen haben, und unser eignes Leben mit Freude und Sinn erfüllen. Wir alle brauchen das.
Text und Fotos: Gemeinschaft der Missionsschwestern vom Katholischen Apostolat in der „Procura Generale“ in Rom