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„Gehet hin und lehret…“

Die Geschichte unseres Rufs zu unseren Brüdern, den Slawen, bestätigt die Wahrheit über Gottes Gedanken zur Welt. Es fing ganz untypisch an. Der Heilige Geist hauchte den Schwestern, die 1992 zum Generalkapitel versammelt waren, eine neue Sendung in die Herzen: „Geht hinaus und verkündet…“, weiter hinaus als bisher. In unseren Gesprächen und Sitzungen dachten wir intensiv darüber nach, wie wir auf die Nöte der Kirche und der Welt antworten könnten. Wir hatten nicht wenige Ideen, aber Gott gab uns selbst ein Zeichen.

Und dann kam es zu dem außergewöhnlichen, nicht erwarteten Treffen. Wir wurden zu einer Privataudienz beim Heiligen Vater eingeladen. Zur Gemeinschaft unserer Kapitularinnen gesellte sich ein uns unbekannter Bischof mit seinem Kaplan. Bald stellte sich heraus, dass dies der erste, nach einer Pause von 70 Jahren für die größte Diözese der Welt ernannte Bischof war: Joseph Werth, Bischof von Sibirien. Im Gespräch mit Papst Johannes Paul II bat er um Priester und Schwestern, die mithelfen würden, die sibirische Kirche aus den Ruinen auferstehen zu lassen. Der Heilige Vater machte den Bischof mit der anwesenden Generaloberin, Sr. Maria Knaus, bekannt.

Sr. Maria Knaus ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt vorüberziehen. Sie lud beide Priester ins Generalat zum Abendessen ein. Mit dieser Geste gab sie uns ein Zeichen, dass die Anfrage des Heiligen Vaters für sie eine Anfrage Jesu war.

Es wurde sehr deutlich: die Zeit ist erfüllt, es ist notwendig, in Gebiete zu gehen, die bisher aus politischen Gründen nicht zugänglich waren. Die Katholiken in Russland warten, und Gott wartet in ihnen.

 

Wir entschieden uns, in sechs Jahren mit der Mission zu beginnen. Aber Jesus fand einen Weg, uns zu beschleunigen: in den letzten Augusttagen 1998 brachen die ersten drei Schwestern von Warschau aus auf – Sr. Agata Browarczyk, Sr. Karolina Słomińska und Sr. Mirosława Włodarczyk reisten über Moskau zum Ural nach Yekaterinburg. Die Zugfahrt dauerte fast zwei Tage und zwei Nächte. Am 1. September begann für uns das Neue im fernen Land, das fast ununterbrochen von Kälte geprägt ist.

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Der erste Halt in Yekaterinburg

Wir wohnten in einer Mietwohnung auf der Jasnastraße, in einem Plattenbau. Bis zum Zentrum, wo unsere Gemeindekirche lag, war der Weg auf die Dauer zu weit. Dies war allerdings nicht der einzige Grund, warum wir nach drei Monaten umzogen. Nach mehreren aufregenden Abenteuern und einer Novene zu unserem Gründer gelang es uns, eine neue Wohnung zu finden, gerade im letzten Moment, bevor wir die Kündigung und Räumungsaufforderung zugestellt bekamen. In der 1. Adventswoche waren wir schon am neuen Ort. Von hier aus, einem aus Ziegeln gebauten Haus, brauchten wir nur noch eine Viertelstunde bis zur Kirche. Uns war allerdings klar, dass auch diese Adresse nur vorübergehend sein würde und wir schließlich über den Ankauf einer Wohnung nachdenken müssten, damit wir uns wirklich auf unsere Arbeit und nicht so sehr auf die Probleme mit den Vermietern konzentrieren könnten. Die Pläne entwickelten sich schnell. Dank der Hilfe aus dem Generalat und der deutschen Provinz konnten wir eine Einliegerwohnung in einem günstigen Ort in der Stadt erwerben. Im Juni 1999 zogen wir in den neu errichteten Wohnblock auf der Bielinskistraße ein. Dort wohnen wir bis heute.

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Zusammen mit dem Herrn…

Es gibt reichlich Arbeit. Die Kirche war weder sauber noch ausreichend ausgestattet. Von Heizung konnten wir nicht einmal träumen. In der provisorisch eingerichteten Sakristei konnte man nur mit Mühe Altarwäsche, priesterliche Gewänder oder sonstige Geräte finden. In der Stadt gab es keine Geschäfte für kirchlichen Bedarf. Das Nachbargebäude der Kirche – in schlechtem baulichen Zustand, mit verschimmelten Wänden – diente als provisorisches „Presbyterium“. Dies dauerte, bis alles Formalitäten, es für die Gemeinde zurückzuerhalten, abgeschlossen waren. Es gelang uns, einen Raum so weit zu säubern und herzurichten, dass er als Küche dienen konnte, und einen zweiten für Religionsunterricht. Aber was nutzt ein Raum, wenn es keine Kinder gibt? Die Eltern brachten ihre Kinder nicht mit zur Kirche, weil sie nicht wussten, dass auch Kinder die Messe mitfeiern konnten. Und es gab auch nicht viele Erwachsene. In der ersten Sonntagsmesse, an der wir teilnahmen, versammelten sich nur etwa 20 Menschen.

Wir teilten die Arbeit unter uns auf. Sr. Agata versorgte die Sakristei. Tagsüber machte sie Ordnung, säuberte die Kirche, besorgte saubere Wäsche, half in der Küche, und nachts nähte sie Altarwäsche, Kelchtücher, Alben u.ä. Sr. Karolina führte Aktionen durch, um Kinder für die Katechese zu sammeln. Sie war unermüdlich dabei. Jeden Abend besuchte sie Gemeindemitglieder und lud sie ein, mit ihren Kindern in die Sonntagsschule zu kommen. Sr. Mirosława bereitete Erwachsene auf die Sakramente vor: auf die Taufe, die Beichte, die Eheschließung. Als eine Studentengruppe sich bildete, fingen regelmäßige Diskussionsrunden an.

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Sr. Miroslawa mit den Studenten der polnischer Schule

Schon von den ersten Tagen unseres Aufenthaltes an wurde die sogenannte „Polonia“ auf uns aufmerksam. Dies ist die Bezeichnung für polnische Gemeinschaften im Ausland; in Sibirien entstand diese Gruppe durch die Polen, die vom Zar im 19. Jh. und später von Stalin nach Sibirien ins Exil verbannt worden waren. Sie blieben mehrere Generationen lang in Russland, bewahrten aber immer die Verbindung zu ihren polnischen Wurzeln und ihrem Glauben. Jetzt wurde ihnen klar, dass hier eine Gelegenheit entstanden war, geistlich und in Gedanken in ihr Vaterland heimzukehren. Sie hatten einen großen Wunsch, eine Gemeinschaft zu bilden, miteinander in der Sprache ihrer Vorfahren zu reden und die schwierige Frage ihrer nationalen Identität zu klären. Sie drängten uns, eine polnische Schule zu eröffnen. Sie hatten schon 70 Jahre darauf gewartet! Und Gott hatte sie erhört. Es gelang ihnen, die Zustimmung unserer Oberinnen zu diesem Projekt zu erlangen und die Genehmigung der Schule durch das Erziehungsministerium in Warschau (die verantwortliche Stelle für die „Polonia“ im Ausland) zu erhalten. So wurde Sr. Mirosława Lehrerin. Sie sieben Jahre arbeitsamen Alltags haben Frucht gebracht. Die polnische Gemeinschaft wurde nicht nur eine gute Gruppe, stark und wachsend, sondern sie öffnete sich auch für alle, die ihr beitreten wollten. Die Schule wurde ein Ort echter Ökumene. Katholiken, Orthodoxe, Lutheraner, Muslime und Agnostiker – alle zusammen erlebten das Geschenk der Gemeinschaft und lebten aus der Quelle der Kultur und des christlichen Geistes. Viele Menschen fanden dank dieser Schule den Weg zu Gott.

Von Sr. Mirosława Włodarczyk SAC

Fotos: Sr. Mirosława Włodarczyk SAC

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